Das Moderne Weltbild

Das Weltbild unserer Zeit

Durch die Entdeckung weiterer Planeten im Sonnensystem verlor die Erde ihren Status als Mittelpunkt der Welt ganz und gar, und selbst unser Sonnensystem wurde zu einem winzigen Etwas am Rande einer Galaxie, die ihrerseits nur eine unter vielen ist. Bis 1995 waren den Wissenschaftlern nur die Planeten im Sonnensystem bekannt. Seitdem finden die Astronomen fast wöchentlich neue Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems. Diese Beobachtungen verändern nicht nur unser astronomisches Wissen, sondern auch unsere philosophische Haltung: Die Erde erscheint nicht mehr als Sonderfall, sondern als einer von möglicherweise Milliarden bewohnbarer Orte im Universum.

Unsere Sonne ist einer von schätzungsweise 100 bis 200 Milliarden Sternen in unserer Galaxis, der Milchstraße, in deren Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch existiert. Moderne Teleskope wie das Hubble-Weltraumteleskop oder das James-Webb-Teleskop haben gezeigt, dass solche schwarzen Löcher nicht nur in unserer Milchstraße, sondern in nahezu jeder größeren Galaxie vorkommen. Diese Objekte prägen die Dynamik der Galaxien entscheidend und sind ein Schlüssel zum Verständnis der Strukturbildung im Kosmos.

Unser Sternensystem ist Mitglied in einem Galaxienhaufen, der wiederum Teil eines Superhaufens ist. Solche Superstrukturen bilden ein kosmisches Netz, das sich aus Filamenten, Knotenpunkten und gigantischen Leerräumen zusammensetzt. Die Entfernungen zwischen den Himmelskörpern sind für menschliche Alltagsdimensionen unfassbar groß und weitgehend ereignislos. Die gesamte darin enthaltene Materie – Sterne, Planeten, Monde und Milliarden von Asteroiden – füllt nicht einmal ein Billionstel des zur Verfügung stehenden Raumes. Ein vermeintlich perfektes Vakuum auf der Erde ist vermutlich nicht so leer wie die Leere des interstellaren Raumes.

In keinem Lehrbuch finden wir eine maßstabsgetreue Darstellung unseres Sonnensystems – nach praktischen Gesichtspunkten ist das auch unmöglich. Würde man die Erde im Maßstab einer Erbse darstellen, so läge der Jupiter bereits über 300 Meter entfernt, der Pluto gar erst in zweieinhalb Kilometern – winzig wie eine Bakterie. Vom Pluto aus betrachtet hätte die Sonne die Größe eines Stecknadelkopfes, während unser nächstgelegener Fixstern, Proxima Centauri, über 15.000 Kilometer entfernt wäre. Solche Zahlen verdeutlichen die Dimensionen, in denen sich unser Weltbild bewegt, und machen verständlich, warum der Mensch immer wieder auf abstrakte Modelle angewiesen ist.

Eine entscheidende Wende brachte die Relativitätstheorie von Albert Einstein (1879–1955). Er erkannte, dass die Schwerkraft nicht nur die Materie, sondern auch das Licht beeinflusst und entwickelte daraus eine völlig neue Auffassung von Raum und Zeit. Demnach ist das, was wir sehen, nie identisch mit dem tatsächlichen Ort eines Objekts. Lichtstrahlen werden durch Gravitation gekrümmt, und wir „sehen“ gewissermaßen um Ecken. In Einsteins Theorie wurde die Zeit als konstante Größe aufgegeben – ein Paradigmenwechsel, der weit über die Physik hinauswirkte und auch unser philosophisches Weltverständnis veränderte.

Parallel dazu eröffnete die Entwicklung der Raumfahrt neue Dimensionen. Die Mondlandung 1969 war nicht nur ein technisches Meisterwerk, sondern auch ein symbolischer Bruch: Der Mensch hatte erstmals einen fremden Himmelskörper betreten und damit den Beweis erbracht, dass unser Planet Teil eines größeren, erreichbaren Ganzen ist. Seitdem wurden Sonden zu allen Planeten geschickt, Rover auf dem Mars eingesetzt und Sonden wie „Voyager“ haben bereits den interstellaren Raum erreicht. Mit jeder dieser Missionen wird unser Bild des Sonnensystems schärfer, aber auch komplexer.

In der Astrophysik ist die Frage nach der Entstehung des Universums weiterhin die zentrale Triebkraft der Forschung. Die Urknalltheorie, nach der unser Universum vor etwa 13,8 Milliarden Jahren aus einer Singularität hervorging, ist heute das dominierende Modell. Kosmische Hintergrundstrahlung, Expansion des Universums und die Entdeckung dunkler Energie stützen diese Theorie. Experimente am CERN, etwa zur Bestätigung des Higgs-Bosons, liefern zusätzliche Bausteine zur Erklärung fundamentaler Prozesse.

Doch das moderne Weltbild umfasst mehr als nur Astronomie und Physik. In der Geographie, die stets an der Schnittstelle zwischen Natur- und Kulturwissenschaften arbeitet, führt die Globalisierung zu einem „planetarischen“ Weltbild. Satellitenvermessung, GPS und Fernerkundung ermöglichen heute eine nahezu lückenlose Kartierung der Erdoberfläche. Globale Umweltprobleme wie Klimawandel, Artensterben oder Ressourcenknappheit machen deutlich, dass das „Weltbild der Moderne“ auch eine Verantwortungsperspektive enthält: Der Planet ist nicht unerschöpflich, sondern ein verletzliches System im kosmischen Maßstab.

So ist auch die Geschichte der Weltbilder noch lange nicht abgeschlossen. Neue Theorien wie Multiversen, Quantenkosmologie oder Simulationsthesen zeigen, dass unser heutiges Wissen nur eine Zwischenstufe ist. Die Endlichkeit der Sonne – ihr Übergang in einen Roten Riesen und später in einen Weißen Zwerg – verweist zudem auf die Notwendigkeit, dass die Menschheit langfristig ihre planetaren Grenzen überschreiten muss. Ob der Schritt auf den Mars oder noch weiter hinaus gelingt, wird nicht nur das Schicksal unserer Spezies, sondern auch die Fortsetzung der Geschichte unserer Weltbilder bestimmen.

Das moderne Weltbild ist daher ein offenes System: Es vereint naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit geographischer Perspektive und bleibt ein Spiegelbild der Menschheit selbst – voller Fragen, voller Neugier und getragen von der Suche nach Orientierung im Unendlichen.

Das Heliozentrische Weltbild

Das Weltbild von Nikolaus Kopernikus

Mit der Veröffentlichung des „De revolutionibus orbium coelestium libri VI“ im Jahre 1543 erschütterte der deutsche Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543) das bis dahin allgemein gültige Weltbild und rückte die Sonne in den Mittelpunkt der Welt. Er betrachtete sie als Zentralgestirn und erkannte, dass sich die Erde und die anderen Planeten in Kreisbahnen um die Sonne bewegen. Kopernikus begriff, dass das geozentrische System für die Vorhersage der Planetenpositionen über längere Zeiträume ungeeignet war. Er erarbeitete das heliozentrische System, in dem er die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne beschrieb und die tägliche Umdrehung des Fixsternhimmels als Rotation der Erde um die eigene Achse erklärte. Die Erkenntnisse des Kopernikus bedeuteten eine vollkommene Abkehr von bisherigen Glaubenssätzen über die Stellung der Erde und damit des Menschen im Kosmos. Sie widersprachen auch den Auffassungen der Kirche, dass sich nur auf der Erde – als Zentrum des Weltgeschehens – die Heilsgeschichte vollziehen könne.

Die Kirche verteidigte das geozentrische Weltbild daher mit großer Vehemenz. Jeder, der andere Vorstellungen postulierte, lief Gefahr, als Ketzer angesehen und verfolgt zu werden. Eines der prominentesten Opfer dieser Verfolgung war der Philosoph, Schriftsteller und Kosmologe Giordano Bruno. Er vertrat nicht nur das heliozentrische Modell, sondern auch die Vorstellung einer unendlichen Zahl von Welten, die von intelligentem Leben bevölkert sein könnten. Am 17. Februar 1600 wurde er nach achtjähriger Haft in Rom auf dem Campo dei Fiori als Ketzer verbrannt. Noch war die Zeit für seine Gedanken nicht reif. Kopernikus selbst entging diesem Schicksal vermutlich nur, weil er sein Werk Papst Paul III. widmete und seine Erkenntnisse nicht als absolute Realität darstellte, sondern als mathematische Hypothese. Gleichwohl markierte seine Veröffentlichung einen Meilenstein in der Geschichte der Wissenschaften.

Mit dem Aufbruch in die Neuzeit geriet das geozentrische Weltbild zunehmend ins Wanken. Dabei war die Kugelgestalt der Erde bereits seit der Antike bekannt. Der Grieche Eratosthenes (um 273–194 v. Chr.) hatte schon im 3. Jahrhundert v. Chr. den Erdumfang erstaunlich genau berechnet und kam auf einen Wert von rund 40.000 Kilometern. Dennoch hielt sich in weiten Teilen Europas bis ins Mittelalter hinein die Vorstellung von einer scheibenförmigen Erde. Erst die großen Entdeckungsfahrten führten zu einem empirischen Beweis: Spätestens nach der Weltumsegelung durch Ferdinand Magellan (1480–1521) stand fest, dass die Erde tatsächlich eine Kugel ist.

Weitere Fortschritte brachten die Beobachtungen und Messungen von Tycho Brahe (1546–1601), der mit seinen präzisen Instrumenten die Bahnbewegungen der Planeten dokumentierte. Johann Bayer (1572–1625) erstellte mit seiner „Uranometria“ den ersten umfassenden Sternatlas, der auch die Sterne der südlichen Hemisphäre erfasste. Damit wurde der Blick über die europäische Himmelskugel hinaus erweitert und die Grundlage für eine systematische Astronomie gelegt.

Einen entscheidenden Durchbruch brachte Galileo Galilei (1564–1642). Mit dem neu entwickelten Fernrohr entdeckte er 1610 die vier größten Monde des Jupiter, die sich eindeutig nicht um die Erde, sondern um ihren Planeten bewegten. Zudem stellte er fest, dass die Mondoberfläche rau und unregelmäßig ist – ein deutlicher Widerspruch zur aristotelischen Vorstellung von vollkommenen Himmelskörpern. Auch erkannte er, dass die Milchstraße aus unzähligen einzelnen Sternen besteht. Seine Publikation „Sidereus Nuncius“ machte ihn berühmt, führte jedoch bald zum Konflikt mit der Kirche. 1632 erschien sein „Dialog über die beiden Weltsysteme“, in dem er das kopernikanische Weltbild verteidigte. Bereits im selben Jahr wurde das Werk von der Inquisition verboten, Galilei selbst vor Gericht gestellt und gezwungen, seinen Überzeugungen öffentlich abzuschwören. Dennoch verbreiteten sich seine Ideen europaweit.

Johannes Kepler (1571–1630) leistete den entscheidenden Beitrag zur mathematischen Absicherung des heliozentrischen Modells. In seinen „Keplerschen Gesetzen“ beschrieb er die Planetenbahnen als Ellipsen – eine fundamentale Korrektur an den Vorstellungen des Kopernikus, die aber die tatsächlichen Bewegungen sehr viel genauer erklärte. Kepler führte außerdem die Idee einer universellen Kraft ein, die zwischen Himmelskörpern wirkt, und deutete bereits die Anziehungskraft zwischen Erde und Mond als Ursache der Gezeiten. Für Kepler waren Wissenschaft und Theologie untrennbar, doch seine physikalischen Modelle ebneten den Weg für eine rationale Himmelsmechanik.

Den endgültigen Durchbruch brachte Isaac Newton (1643–1727) mit seiner Gravitationstheorie. Er formulierte die universelle Anziehungskraft und zeigte, dass sie sowohl für die Planetenbewegungen als auch für irdische Phänomene wie Ebbe und Flut verantwortlich ist. Mit Newtons „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ (1687) wurde die Astronomie auf ein solides physikalisches Fundament gestellt. Das heliozentrische Weltbild hatte sich damit unwiderruflich durchgesetzt.

Obwohl die Kirche das geozentrische Modell noch lange verteidigte, verloren ihre dogmatischen Erklärungen im Zuge der Religionskriege und der wissenschaftlichen Revolution zunehmend an Bedeutung. Die empirische Beobachtung und die exakte Berechnung traten an die Stelle von Autorität und Glauben. Damit begann nicht nur das Zeitalter der modernen Naturwissenschaften, sondern auch eine tiefgreifende kulturelle Veränderung: Der Mensch musste akzeptieren, dass er nicht das Zentrum des Universums ist, sondern ein Teil eines viel größeren kosmischen Gefüges.

Das heliozentrische Weltbild war damit nicht nur ein wissenschaftliches Paradigma, sondern auch ein kultureller und philosophischer Umbruch. Es veränderte die Sicht auf den Kosmos, die Stellung des Menschen darin und ebnete den Weg für die Aufklärung und die Entstehung der modernen Wissenschaften. Bis heute gilt der Umbruch vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild als einer der größten Paradigmenwechsel in der Geschichte des Denkens – ein Meilenstein auf dem Weg zu unserem modernen Weltverständnis.

Das Geozentrische Weltbild

Das Ptolemäische Weltbild

Eine umfassende Theorie der Mond-, Sonnen- und Planetenbewegung im geozentrischen System entwickelte der griechische Astronom Claudius Ptolemäus aus Alexandria (ca. 85–160 n. Chr.). In seinem Hauptwerk „Almagest“, der ersten systematischen Ausarbeitung der mathematischen Astronomie, schuf er ein geozentrisches Weltbild, in dem sich die Erde im Mittelpunkt der Welt befand. Um sie bewegten sich die Planeten – bis einschließlich zum damals bekannten äußersten Planeten Saturn – sowie Sonne und Mond auf komplizierten Bahnen, die als Kombinationen von Kreisbewegungen dargestellt wurden. Den Hintergrund bildete die Sphäre der Fixsterne, die alle in gleichem Abstand um die Erde angeordnet waren. Für Ptolemäus war die Erde zwar immer noch der Mittelpunkt des Sonnensystems, doch sie nahm nicht länger den Rang des absoluten Zentrums des gesamten Universums ein.

Ptolemäus baute dabei auf den Arbeiten von Vorgängern wie Apollonius von Perge und Hipparch von Nikaia auf. Diese hatten bereits geometrische Modelle zur Beschreibung unregelmäßiger Planetenbewegungen entwickelt. Ptolemäus kombinierte diese Ansätze, indem er die Planeten nicht nur auf Kreisbahnen (Deferenten), sondern zusätzlich auf kleinen Hilfskreisen (Epizykeln) beschrieb, die sich wiederum auf den Deferenten bewegten. Mit diesem komplexen System gelang es ihm, die beobachteten Schleifenbahnen der Planeten mathematisch zu erklären, ohne die anerkannte Vorstellung von gleichförmigen Kreisbewegungen aufzugeben. Damit verband er Astronomie und Mathematik in einer bis dahin unerreichten Präzision – auch wenn das Modell in der Realität sehr weit von der platonischen Forderung nach Einfachheit entfernt war.

Gerade in dieser Komplexität zeigt sich eine entscheidende Tendenz: die beginnende Trennung zwischen Physik und Astronomie. Während Aristoteles die Physik der Himmelskörper durch metaphysische Prinzipien begründete, verlegte sich Ptolemäus stärker auf die Berechenbarkeit und mathematische Modellierung. Diese Tradition wirkte bis in das 16. Jahrhundert fort, als Kopernikus mit seinem heliozentrischen Modell die Grundannahmen infrage stellte.

Das ptolemäische System sollte fast 1400 Jahre lang das Fundament der astronomischen Lehre bleiben. Seine Dominanz lag nicht nur an der mathematischen Raffinesse, sondern auch an der Verknüpfung mit der christlichen Weltanschauung. Das Bild einer zentralen Erde, über der sich der Himmel als Gewölbe spannte, fügte sich nahtlos in die biblische Schöpfungserzählung ein. In Mose 1,7–10 heißt es: „Gott machte also das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. So geschah es, und Gott nannte das Gewölbe Himmel. […] Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde. So geschah es.“ Solche Passagen wurden wörtlich verstanden und mit dem geozentrischen Modell in Einklang gebracht.

Für die Kirche war das ptolemäische Weltbild daher weit mehr als eine wissenschaftliche Hypothese – es wurde zur Glaubensdoktrin. Gott erschien als Schöpfer, der die Himmelskugeln in Bewegung gesetzt hatte und aus seiner Sphäre jenseits des Fixsternhimmels die Welt und die Menschen beobachtete. Wer an dieser Ordnung zweifelte, stellte damit nicht nur eine Theorie infrage, sondern griff das Fundament des christlichen Weltverständnisses an.

Dabei waren alternative Vorstellungen durchaus bekannt. Indische und arabische Astronomen, etwa Aryabhata (476–550), hatten Modelle entwickelt, die die tägliche Rotation der Erde oder die Möglichkeit einer heliozentrischen Anordnung in Betracht zogen. Über Übersetzungen ins Arabische und später ins Lateinische wurden diese Texte auch in Europa verbreitet, fanden jedoch lange keine Akzeptanz. Die Gründe lagen nicht allein im Einfluss der Kirche. Es fehlte auch ein physikalisches Verständnis, das erklären konnte, warum Menschen und Gegenstände auf einer rotierenden Erde nicht fortgeschleudert würden. Erst die Entwicklungen der frühen Neuzeit – die Gesetze Keplers und die Gravitationslehre Newtons – konnten diese Fragen beantworten.

Das ptolemäische Weltbild prägte nicht nur die Astronomie, sondern auch die Philosophie, Theologie und Kunst des Mittelalters. Kathedralen wurden als Abbild der kosmischen Ordnung verstanden, das Weltall erschien als hierarchisch geordnetes Ganzes mit Gott an der Spitze und der Erde im Zentrum. Diese Vorstellung verlieh der mittelalterlichen Gesellschaft Stabilität und Orientierung. Zugleich verhinderte sie aber auch über Jahrhunderte die freie Entwicklung alternativer kosmologischer Theorien.

Erst in der Renaissance, mit der Wiederentdeckung antiker Schriften und dem Aufkommen empirischer Beobachtungen, begann das Fundament des ptolemäischen Systems zu wanken. Kopernikus, Galilei und Kepler brachen die alte Ordnung Stück für Stück auf – doch die Macht des ptolemäischen Weltbildes reichte so tief, dass es trotz aller neuen Erkenntnisse noch lange weiterwirkte.

Rückblickend lässt sich sagen: Das ptolemäische Weltbild war weniger eine „falsche“ Theorie als vielmehr ein historisch notwendiges Modell. Es war ein Meisterwerk der mathematischen Astronomie, das über Jahrhunderte präzise Vorhersagen ermöglichte und die geistige Grundlage für die spätere wissenschaftliche Revolution schuf. Gleichzeitig zeigt es, wie eng Naturwissenschaft, Religion und Weltanschauung miteinander verflochten sein können – eine Erfahrung, die auch in der Moderne nicht an Aktualität verloren hat.

Weltbilder des Altertums

Vom Schamanismus bis zum Babylonischen Weltbild 

Das älteste uns überlieferte Weltbild ist das des Schamanismus im Paläolithikum. Hinweise finden sich in Höhlen- und Felsmalereien sowie in Bestattungsriten, die bereits auf eine komplexe Kosmologie hindeuten: Der Mensch verstand sich als Teil einer von Geistern, Ahnen und Naturkräften bevölkerten Welt, die Himmel, Erde und Unterwelt umfasste. Mit der Sesshaftwerdung im Neolithikum und dem Übergang zu agrarischen und nomadischen Wirtschaftsformen entstanden neue Vorstellungen, die stärker auf Ordnung, Zyklen und Wiederkehr basierten. Der Himmel mit Sonne, Mond und Sternen diente zunehmend der Zeitmessung und wurde Grundlage für erste Kalender. Mit dem Aufkommen der frühen Stadtstaaten in Mesopotamien, Ägypten und anderen Regionen der Bronzezeit wurden diese Weltbilder weiterentwickelt und institutionalisiert.

Stellvertretend für die Kosmologien des Altertums gilt heute das babylonische Weltbild. Die Babylonier stellten sich die Erde als Scheibe vor, die auf einem unendlichen Urmeer schwimmt. Dieser Ozean umgab nicht nur die Erde, sondern wölbte sich auch über sie hinaus. Getrennt wurden Erde und Wasser durch das Himmelsgewölbe, in dem Wetterphänomene stattfanden und die Götter die Sterne bewegten. Dieses Firmament wurde von den „Säulen der Erde“ getragen – einem imaginären Gebirge, das die Erdscheibe ringförmig umgab. Im Zentrum erhob sich der sogenannte Weltenberg, um den Sonne und Mond kreisten. Aus diesem Umlaufgeschehen erklärten die Babylonier Tag und Nacht. Bemerkenswert ist die zentrale Rolle des Mondes, dem in vielen altorientalischen Kulturen größere Bedeutung beigemessen wurde als der Sonne, da er mit Fruchtbarkeit, Zeitrechnung und göttlicher Macht in Verbindung gebracht wurde.

Auch in anderen Hochkulturen entwickelten sich charakteristische Weltbilder. Die Ägypter stellten sich den Himmel als die Göttin Nut vor, deren Körper sich über die Erde wölbt, während der Gott Geb als Erdscheibe darunter liegt. Der Sonnengott Re fuhr in einem Boot täglich über den Himmel und in der Nacht durch die Unterwelt, womit er den ewigen Kreislauf von Tag und Nacht sicherte. Hier verband sich kosmologisches Denken eng mit Religion und Staatskult.

In der griechischen Antike nahmen die Weltbilder philosophischere Formen an. Anaximander (611–546 v. Chr.) sah die Erde als frei schwebenden Körper im Mittelpunkt des Kosmos, umgeben von Ringen aus Feuer, in denen Sonne, Mond und Sterne eingelassen seien. Er verglich die Sterne mit goldenen Nägeln im Kristallhimmel. Platon (427–347 v. Chr.) erhob die Kugel zur vollkommenen göttlichen Form und verknüpfte damit die Idee, dass die Planeten sich auf gleichförmigen Kreisbahnen bewegen müssten. Aristoteles (384–322 v. Chr.) schließlich entwickelte das geozentrische System aus konzentrischen Kristallsphären, an denen die Himmelskörper befestigt waren. Obwohl er zunächst eine Scheibenerde erwog, schloss er aus Beobachtungen – etwa dem Auftauchen von Schiffsmasten am Horizont oder dem kreisrunden Erdschatten bei Mondfinsternissen –, dass die Erde kugelförmig sein müsse. Seine geozentrische Physik mit der ruhenden Erde im Zentrum blieb prägend für mehr als 1500 Jahre.

Doch nicht nur im Mittelmeerraum wurden bedeutende Weltmodelle entwickelt. In Indien finden sich bereits in vedischen Sanskrit-Texten des 9.–8. Jahrhunderts v. Chr. erstaunlich genaue Vorstellungen: Die Erde sei eine Kugel, die gemeinsam mit anderen Planeten die Sonne umkreist. Abstände zwischen Erde und Mond sowie Erde und Sonne waren bemerkenswert genau bekannt, ebenso die Länge eines Jahres. Der indische Astronom Aryabhata (476–550 n. Chr.) erkannte zudem, dass Mond und Planeten ihr Licht von der Sonne reflektieren. Später erweiterte Bhaskara II. (1114–1185) diese Modelle, indem er komplexere Planetenbahnen beschrieb. Solche Erkenntnisse gelangten zwar über arabische Übersetzungen nach Europa, setzten sich dort aber lange nicht durch.

Interessant ist auch das ägyptische bzw. alexandrinische Mischsystem, das als Vorläufer des späteren tichonischen Weltbildes gelten kann. Danach umkreisten Sonne und Mond die Erde, während die übrigen Planeten um die Sonne kreisten. Diese hybride Form zeigt, wie flexibel Weltbilder in Übergangszeiten sein konnten. Im 16. Jahrhundert griff Tycho Brahe ähnliche Ideen auf, indem er zwar die Erde im Zentrum beließ, aber alle anderen Planeten um die Sonne kreisen ließ.

Die Vielfalt der alten Weltbilder verdeutlicht, dass der Mensch seit frühester Zeit versucht hat, seine kosmische Stellung zu erklären. Ob im Schamanismus, im babylonischen Mythos, in den altindischen Texten oder in den griechischen Philosophien – stets ging es darum, Ordnung und Sinn in die Beobachtungen des Himmels zu bringen. Diese frühen Modelle verbanden Religion, Mythos und Naturbeobachtung. Sie bereiteten damit den Boden für spätere wissenschaftliche Weltbilder, die im Mittelalter und in der Neuzeit eine Abkehr von mythischen Vorstellungen zugunsten empirischer Beobachtungen vollzogen.

Rückblickend sind die Weltbilder des Altertums weniger primitive Irrtümer als vielmehr kulturelle Spiegel: Sie zeigen, wie Menschen ihre Erfahrungen, ihre Religion und ihre Naturbeobachtung in kohärente Systeme einordneten. In dieser Hinsicht stehen sie am Beginn einer langen Tradition – von der mythischen Kosmologie über das ptolemäische System bis zum modernen Weltbild des Kosmos.